GLEICHHEIT IST KEINE LÖSUNG

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Artikel veröffentlicht: 13.08.2011, 11:14 Uhr

Der Preis schrecklicher Normalität 

So haben es sich die zionistischen Gründer wohl nicht vorgestellt: Israel – der jüdische Staat, gleiche Nation unter den Nationen. Heute liest sich die Gleichheit etwa so: Der Funke des zunächst arabischen Frühlings der sog. Zivilgesellschaften ist nun auch auf Israel übergesprungen. Tausende demonstrieren für mehr soziale Gerechtigkeit. Die Menschen auf den Straßen interessieren sich nicht für Fragen der großen Politik, also für Fragen, die die internationalen Krisen aufwerfen. So auch in Israel. Endlich hätten sich die Demonstranten in Israel den wirklich wichtigen, den sozialen Fragen zugewandt.

Doch diese Gleichmacherei durch die scheinbare Gleichheit der inneren Problemstellungen in völlig unterschiedlichen Staaten ist trügerisch. Denn man mag es drehen und schein-analytisch wenden wie man will: Israel ist und bleibt in einer spezifischen Lage. Was wiederum weniger mit Israel, als seinen Nachbarn zu tun hat. Diese Tatsache bleibt, auch wenn viele das nicht mehr hören oder lesen wollen. Israels Regierungen nutzen die nah-östliche Konstellation nicht dazu, von den internen Problemen abzulenken. Die Gefährdung Israels von außen ist real. Die nah-östliche Krise ist für Israel auf Dauer gestellt und zwar gänzlich anders, als für alle anderen Länder und Staaten dieser Welt. Nicht weil Israel besonders ist, sondern weil Israel als "besonders" gilt. Diese Besonderheit im vermeintlichen Universalismus globaler Problemlagen, die alle Staaten gleich erscheinen lassen, so wird der jüdische Staat als solcher aus dem Blick gedrängt. Diese Art der Gleichmacherei geschieht, auch von westlicher Seite, im Namen des Friedens. Die große Mehrzahl der arabischen Nachbarn Israels ist darauf aus (und wie jüngst Umfragen zeigten, auch die Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung in Gaza und der Westbank), Israel nicht anzuerkennen, sondern für einen Störfaktor in der Region halten, der ausgelöscht gehört. Das ist die "israelische" Besonderheit. Sie ist in ihrer Logik – schaut man in die Geschichte der Judenfeindschaft – von dieser kaum zu unterscheiden! So lässt sich das Entrebillet zur Selbstaufgabe erneut beschreiben: Nennt Euch nicht mehr "jüdisch", viele Deutsche nennen sich schließlich auch nicht mehr "deutsch". Verachtet Euch, wie viele andere unsere Errungenschaften des modernen, freiheitlich-demokratischen Lebens und seiner Institutionen auch verachten! Wagt mehr globale Demokratie! Wagt also etwas, was es nicht geben kann, dann wird eine andere Welt möglich (ein wahrer Satz übrigens, dessen Schreckensdimensionen kaum zu übersehen sind)! Wir bieten an: Übernehmt den Namen dafür und tauft die jüdische Unterwerfung auf den Namen "Die Lehre aus der Geschichte".

In seinem Vorwort zu Jakob Hessings "Verlorene Gleichnisse – Heine Kafka Celan" (Göttingen, 2011) schreibt der Historiker Dan Diner mit Blick auf die Lessingsche Ringparabel, dass sich der von Lessing propagierte Toleranzgedanke als durchaus zweischneidig erweist. "Denn am Schluss des Dramas (...) bleibt gerade Nathan außerhalb des Kreises der Versöhnung aller mit allen. (...) Die Menschheit findet ohne die Juden statt."

Die Ausblendung der spezifischen Gefährdung Israels aus den (wahrlich kaum noch zu überschauenden) Konflikten, Krisen und Kriegen der Jetzt-Zeit macht Israel auf eine Weise gleich, ähnlich wie schon die bürgerliche Emanzipation und rechtliche Gleichstellung der Juden sie vor "aufgeklärter Judenfeindschaft" in Europa nicht hat wirklich schützen können.

Zudem ist die formelle Anerkennung des jüdischen Staates auch schon deshalb unabdingbare Voraussetzung, weil sich sonst der Traum von der Zwei-Staaten-Lösung als Erweckungserlebnis eines (weiteren) absurden Albtraums erweist.

Karl H. Klein-Rusteberg

 

Dokumentation

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
Nr. 186 – 12. August 2011

Robert B. Goldmann
Es geht um das Existenzrecht

Der israelische Ministerpräsident Netanjahu wird in den internationalen Medien heftig kritisiert. Der Grund ist seine aus persönlicher Überzeugung stammende, mit rechtsextremen Kabinettsmitgliedern geteilte Weigerung, Konzessionen für eine Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts zu machen. So jedenfalls sehen es die als vernünftig und moderat erachteten Politiker im Westen.
Das Problem ist, dass diese verbreitete, vermutlich vorherrschende Ansicht nicht realistisch ist. Sie misst mit zweierlei Maß und lässt Erfahrungen aus den vergangenen vier Jahrzehnten außer Acht. Seit Begin, der den Friedensvertrag mit Ägyptens Anwar al Sadat schloss, was die Räumung der Sinai-Halbinsel erforderte, sind unter Jitzhak Rabin und Schimon Peres, Ehud Barak und Ehud Olmert, die dank amerikanischer Vermittlung Jassir Arafat und Mahmud Abbas die Hand drückten, alle Friedensbemühungen gescheitert. Präsident Clinton kam einem Erfolg am nächsten, als er und Barak kurz vor Ablauf beider Amtszeiten im Jahr 2000 glaubten, mit Arafat den Schlüssel zum Frieden gefunden zu haben. Die große Enttäuschung war, dass, wie Clinton berichtete, Arafat schließlich „nein“ sagte.
Es ging während jener drei Jahrzehnte um mehr als Siedlungen, Grenzprobleme, die Zukunft Jerusalems oder selbst die Rückkehr von palästinensischen Flüchtlingen. Es ging und geht bis heute um die Anerkennung des jüdischen Staates. Kein israelischer Regierungschef könnte sich erlauben, diese Forderung abzuschwächen. Deshalb liegt das Problem nicht nur an der Hartnäckigkeit Netanjahus oder seines noch unnachgiebigeren Außenministers Lieberman. Als Demokraten und politisch geschulte Wähler wären die Israelis bereit, einen Ministerpräsidenten abzuwählen, der ein überzeugendes Abkommen ablehnt. Doch diese Gelegenheit hat es bisher nicht gegeben. Das Hindernis bleibt die ideologisch und politisch motivierte Weigerung, Israel anzuerkennen und als Nachbarn zu behandeln. Das Problem wird im September wieder vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York zur Sprache kommen, wenn die palästinensische Autorität um Anerkennung als Staat ersucht. Dies erfordert auch die Zustimmung der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, und Amerika versucht alles, um kein Veto einlegen zu müssen. Aber sollten die Palästinenser und ihre vielen Freunde in den UN darauf bestehen, kann sich Washington nicht erlauben, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, solange dieser (und viele muslimische und „Dritte Welt“-Mitglieder der UN) Israels Existenzrecht bestreitet.
Für Israels Nachbarn und die Mehrheit der muslimischen Welt gehört der jüdische Staat nicht in die Region; er ist ein „Fremdkörper“. Aber können Demokratien in einer Welt, in der beinahe 200 Staaten von ethnischer und religiöser Verschiedenheit Souveränität genießen, einem der ältesten Völker der Geschichte das Stück Land verweigern, auf dem es vor mehr als fünftausend Jahren lebte und wo es seither trotz vieler Vertreibungen stets Juden gab? Können die Mitglieder der Weltorganisation verstehen, wie erniedrigend die Frage nach dem „Existenzrecht“ nicht nur für Israel, sondern für die sechs Millionen Juden in der Welt ist – und dies nach der Vernichtung von sechs Millionen in Todeslagern?
Das sind Fragen, über die in der bevorstehenden Debatte in New York diskutiert werden sollte, neben vielen anderen, die mehr von Völkerrechtlern besprochen werden als von den Bürgern der Welt.
 

 

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