ES KANN SEIN, WAS NICHT SEIN DARF - Ein Kommentar von Michael Wolffsohn

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Artikel veröffentlicht: Sunday, 26. June 2011, 17:11 Uhr

 

Wir danken dem Autor, Michael Wolffsohn, für die Erlaubnis, den folgenden Beitrag aus der FTD auf unsere website zu übernehmen. Professor Wolffsohn hat im März 2009, anlässlich der Eröffnung der "Woche der Brüderlichkeit", im Essener Rathaus den Hauptvortrag gehalten.   -kr-

FINANCIAL TIMES Deutschland

Die Linke muss antisemitisch sein

Kommentar Mit fadenscheinigen Beteuerungen kann die Partei ihre Judenfeindschaft nicht verhehlen. Sie steckt tief im ideologischen und ökonomischen Denkgerüst. von Michael Wolffsohn

Michael Wolffsohn ist Professor für Neuere Geschichte an der Bundeswehr-Universität München.

Links und antisemitisch? "Ausgeschlossen", sagen Geschichtenerzähler. Doch wer die Geschichte kennt, sagt: "Nichts Neues unter der Sonne." Der Antisemitismus der Linken ist so alt wie die alte Linke selbst. Das gilt für die neue, bundesdeutsche Partei ebenso wie für ihre Vorläufer - die PDS und die SED - sowie für Stalin und Marx. Und auch die in den 60er-Jahren entstandene Neue Linke fällt in dieses Raster.

Zwar sind nicht alle Linken antisemitisch. Dennoch gibt es eine antisemitische Vergangenheit, Gegenwart - und wohl auch leider Zukunft, wenn man die aktuelle Debatte über Antisemitismus in der Linkspartei verfolgt. Sprachlich verquast, doch inhaltlich richtig bestätigte der Bundestagsabgeordneten der Linken Stefan Liebich am vergangenen Montag , dass es auch in seiner Partei Antisemitismus gebe - "weil Antisemitismus in Deutschland insgesamt noch existiert und wir leider immer wieder in allen politischen Lagern uns damit auseinandersetzen müssen". Davon werde auch seine Linkspartei nicht verschont.

Natürlich gilt für andere politische Gruppierungen das Gleiche wie für die Linken. "Rechts" war und ist auch antisemitisch. Das betonen die Linken gern, sie unterschlagen dabei aber diesen wichtigen Zusatz: Nicht jeder Rechte ist antisemitisch. Wenn wir von der politischen Geografie zur politischen Farbenlehre wechseln, gilt deshalb folgerichtig: Wie bei Rot gab und gibt es auch bei Schwarz und Gelb - und bis Mitte der 90er-Jahre sogar besonders heftig - Antisemiten.

Nun spricht Liebich endlich Tacheles, während andere noch lamentieren. Doch die Betonung des allgemeinen Antisemitismus relativiert und verharmlost den besonderen und besonders militanten Antisemitismus. Diese Ausprägung kennzeichnen zwei Elemente: Es gibt das "klassische" sowie das antizionistische beziehungsweise antiisraelische. Manche, nicht nur in der Linken, sagen, Israelkritik sei nicht antisemitisch. Das stimmt. Israelkritik ist, wie jede Kritik, kein fundamentales Anti. Antiisraelismus hingegen ist, anders als Israelkritik, fundamental, und jedes fundamentale Anti will den Gegner vernichten. Der Antiisraelismus will Israel als zionistischen, sprich jüdischen, Staat auflösen - mit oder ohne Gewalt. Das wiederum richtet sich gegen das elementare Sicherheits- und Überlebensbedürfnis fast aller Juden der Welt. Sie sehen, auch wenn sie nicht in Israel leben, den jüdischen Staat für den Fall der Fälle als eine Lebensversicherung.

Wenn sich Antiisraelismus - anders eben als Israelkritik - gegen die existenzielle Sicherheit beziehungsweise das historisch und psychologisch mehr als nur verständliche Sicherheitsbedürfnis der Juden wendet, ist er letztlich doch Antisemitismus. Das ist die ideologische und zugleich hochpolitische Erklärung für die Gleichsetzung von Antisemitismus und Antiisraelismus.

Die große Mehrheit der Partei Die Linke verschanzt sich gern hinter dem Argument, sie sei auch nicht antiisraelisch, sondern nur israelkritisch. Das ist entweder eine Lüge oder Dummheit, denn die Linke will nicht nur einen Staat Israel und neben ihm einen Staat Palästina. Der jüdische Charakter Israels ist der Linken ein Dorn im Auge. Das ist ideologisch konsequent, denn in der Ideologie der Linken ist - nach guter Tradition von Marx - jede Religion "Opium fürs Volk".

Ein Staat wie Israel, der sich in erster Linie im Zusammenhang mit der Religion versteht, muss in den Augen der Linken "reaktionär" sein - und deshalb fundamental verändert werden. Die logische Folge: Die Linke hat als strategisches Ziel einen Staat Palästina, in dem Muslime und Juden einträchtig miteinander leben. So lautet die politische Lyrik, an die sich weder die Juden noch die Muslime halten, die weiter jüdisch oder muslimisch bleiben wollen, obwohl - wie es die Linke meint - Religion eben Opium fürs Volk ist. Das wiederum bedeutet, dass die Linke Juden und palästinensischen Muslimen eine Ordnung aufzwängen will, welche die Betroffenen dankend ablehnen.

Jenseits von Ideologie und Theologie prägt auch die Ökonomie und die Philosophie der Ökonomie den faktischen Antisemitismus der Linken. Die Juden waren und sind - einst, heute und sicher auch morgen - in ihrer großen Mehrheit innerhalb des kapitalistischen Systems aufstiegsorientiert. Sie identifizieren sich mit dem Kern der kapitalistischen Philosophie: Aufstieg durch Leistung und Belohnung von Leistung.

Die Juden haben sich nie mit dem zügellosen Kapitalismus identifiziert und haben ihn durch Liberal-Bürgerrechtliches, Soziales und auch Mäzenatentum gezähmt und abgefedert. Aber die grundsätzliche Identifizierung mit Liberalismus und Kapitalismus lässt sich nicht abstreiten. Sie ist eine Tatsache. Nur im liberal-kapitalistischen System konnten und können sich Juden frei entfalten - mit wenigen Ausnahmen, denn es gab und gibt bekanntlich auch jüdische Kommunisten und Sozialisten, denen Kapitalismus und Religion ein Albtraum bedeuten. Zu Pro-"Kapitalisten" muss die Linke auf Antikurs gehen.

Abgeleitet aus Ideologie, Theologie und Ökonomie erklärt auch die Soziologie der Juden das Anti der Linken. Diese versteht sich als die Partei des Proletariats, des "kleinen Mannes" und - politisch korrekt - der "kleinen Frau". Die Juden sahen und sehen sich als Teil der "Bourgeoisie". Die wiederum sahen und sehen die traditionelle Linke ebenso wie die Partei Die Linke marxistisch formuliert als "Klassenfeind". Wohlgemerkt, Feind.

Schwarz oder Weiß, Feind oder Freund - das kennzeichnet das Denken der Linken historisch und das Denken und Handeln der Partei. Die Linke ist antisemitisch. Sie muss es sein, wenn sie links sein will. Wer nicht antisemitisch sein möchte, hat im Prinzip in der Partei nichts zu suchen.

 

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