STEHEN WIR ZU ISRAEL! STEHEN WIR ZU ISRAEL?

Artikel veröffentlicht: 27.08.2011, 13:32 Uhr

DIE WELT - 27. AUGUST 2011 - LEITARTIKEL

Richard Herzinger
Stehen wir zu Israel!

Der jüdische Staat droht von Terror der Dschihadisten umzingelt zu werden. Mit den legitimen Ansprüchen der Palästinenser kann dieses mörderische Treiben in keiner Weise gerechtfertigt werden
Als im Frühjahr in Ägypten der Diktator Husni Mubarak gestürzt wurde, hob mancher Optimist als Zeichen für die demokratische Reife der Revolutionsbewegung hervor, dass aus ihren Reihen kaum Hassparolen gegen Israel zu hören gewesen seien. Wohlmeinende Kommentatoren rieten daher Israel, seine Skepsis gegenüber dem Freiheitspathos der arabischen Revolutionen aufzugeben und im eigenen Interesse die Kräfte des Aufbruchs in der arabischen Welt vorbehaltlos zu umarmen.
Doch nur ein halbes Jahr später ist die Revolutionseuphorie in der westlichen Öffentlichkeit längst verflogen, aktuelle Entwicklungen in Ägypten und Tunesien interessieren hier kaum noch jemanden. Israel aber sieht sich außer vom Libanon, in dem die islamistische Hisbollah das Regiment führt, und von Gaza aus, das von der proiranischen Hamas beherrscht wird, nun noch an einer dritten Front von Todfeinden ins Visier genommen. Auf dem ägyptischen Sinai breiten sich Dschihadisten vom Typus der al-Qaida aus, um Terror gegen israelische Zivilisten zu organisieren.
An der Entschlossenheit und Fähigkeit der Regierung Ägyptens, dem terroristischen Treiben auf eigenem Staatsgebiet ein Ende zu bereiten, sind gravierende Zweifel erlaubt. Ägypten verdammte Israels militärische Reaktion auf den andauernden Raketenbeschuss aus Gaza und auf die offenkundig von ägyptischem Gebiet ausgehenden jüngsten Terroranschläge im Süden Israels, nicht aber diese selbst. Ultimativ drohte es mit dem Abzug seines Botschafters, sollte sich Israel nicht formell dafür entschuldigen, dass im Kreuzfeuer zwischen israelischer Armee und Terroristen mehrere ägyptische Grenzsoldaten ums Leben kamen. Tatsächlich wird das "neue" Ägypten nach wie vor vom alten Herrschaftsapparat regiert - nur dass dieser seine Kontrolle über die Muslimbruderschaft und andere radikale Islamisten gelockert hat und das Bündnis mit ihnen sucht, während sich die Repression gegen säkular-demokratische Kräfte wieder verstärkt. Der jüdische Staat muss jetzt damit rechnen, dass sich sein großer Nachbar von einem widerwilligen Friedenspartner in einen offenen Feind verwandelt. Israel droht eingekreist und durch einen mit Rückendeckung umliegender arabischer Staaten betriebenen Kleinkrieg zermürbt zu werden. Wehrt es sich aber gegen den Terror, indem es die Terroristen aus der Luft attackiert, ruft das reflexhaft weltweite Verurteilungen seiner "Überreaktion" hervor.
Der Tod israelischer Zivilisten hingegen und ihre ständige Angst, von Raketen und Bomben mörderischer Judenhasser zerrissen zu werden, lassen die internationale Öffentlichkeit weitgehend kalt. Der UN-Sicherheitsrat brachte keine Verurteilung der jüngsten Terrorwelle zustande - sitzt doch derzeit mit dem Libanon die antisemitische Terrororganisation Hisbollah in diesem erlauchten Gremium. Dieselbe Arabische Liga, die monatelang zu den Massakern des syrischen Regimes an der eigenen Bevölkerung schwieg, brauchte jetzt nur Stunden, um eine Sondersitzung zur Geißelung der "israelischen Aggression" einzuberufen.
Es ist ein fataler Irrtum, zu glauben, der exterminatorische Hass gegen den jüdischen Staat könne durch Zugeständnisse Israels in Sachen Gründung eines Palästinenserstaats besänftigt werden. Der Krieg der Terroristen und al-Qaida-nahen Dschihadisten in Palästina hat nichts mit tatsächlichen Ungerechtigkeiten israelischer Besatzungspolitik und ernsthaftem Streben nach einer Zweistaatenlösung zu tun. Ihr Krieg gegen Israel ist vielmehr derselbe, den sie in Afghanistan und im Irak führen, den sie bereits nach New York, Madrid, London und Bombay getragen haben. Wie überall dort sind ihre Zielobjekte auch in Israel bevorzugt unbewaffnete und wehrlose Männer, Frauen und Kinder. Dieser Krieg richtet sich nicht nur gegen jeden Einfluss der westlichen Welt und ihrer freiheitlichen Kultur auf den Nahen Osten, sondern gegen die zivilisatorische Moderne insgesamt. Israel ist deren erster Pfeiler, den islamistische Extremisten und Dschihadisten zum Einsturz bringen wollen. Ihren Vernichtungskrieg gegen "die Juden", denen sie das Existenzrecht als eigenständige Nation in jeder Form absprechen, werden sie nie beenden, solange der jüdische Staat nicht ausgelöscht ist. Im Interesse ihrer eigenen Sicherheit und Freiheit müssen sich die westlichen Demokratien daher nun unzweideutig auf die Seite des umzingelten Israels stellen. Gelegenheit zu einem deutlichen Signal dafür ergibt sich in Kürze, wenn am 21. September unter dem Titel "Durban III" erneut die "Antirassismuskonferenz" der UN tagt. Wie ihre Vorläuferkonferenzen soll sie dazu instrumentalisiert werden, das demokratische Israel als "rassistischen Staat" zu denunzieren. 2009 hatte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad "Durban II" als Bühne für seine antisemitischen Tiraden genutzt.
Westliche Demokratien sollten makaberen Farcen dieser Art keine Legitimation mehr geben und sie einhellig boykottieren. Sie müssen zudem unzweideutig klarstellen, dass der Terror gegen Israel in keinem Zusammenhang mit den legitimen Ansprüchen der Palästinenser auf staatliche Selbstbestimmung steht und durch sie in keiner Weise zu rechtfertigen ist. Dieser Terror ist nicht weniger verwerflich als irgendwo sonst auf der Welt, wo sich die dschihadistische Mordmaschinerie ausbreitet. Die Einkreisung Israels, die wir gegenwärtig erleben, und die Terrorwelle gegen israelische Zivilisten sind aber erst der Vorgeschmack auf die terroristische Offensive, die einsetzen würde, sollten die UN im September tatsächlich einen einseitig ausgerufenen Staat Palästina anerkennen. Dann würde Phase zwei der Strategie der Extremisten folgen, Israel in einen militärischen Dauerkonflikt, wenn nicht einen großen Nahost-Krieg zu verwickeln, um es einmal mehr als kriegslüsternen Dämon an den Pranger zu stellen. Alle westlichen Demokratien sollten dieses propagandistische Vorhaben von Fatah und Hamas zurückweisen, einen in Wirklichkeit noch fiktiven, weil aus zwei miteinander verfeindeten Gebieten bestehenden palästinensischen Staat von den UN legitimieren zu lassen. Denn es dient nicht der realen Weiterentwicklung der Grundlagen palästinensischer Staatlichkeit, die unter dem gemäßigten Ministerpräsidenten Fajad im Westjordanland eingesetzt hat, sondern vielmehr der Eskalation und damit der Zerstörung dieses Prozesses. Profitieren würde von der künstlichen Staatsproklamation in erster Linie die Hamas, deren Gewaltherrschaft über Gaza und anvisierte Mitregentschaft im Westjordanland durch sie völkerrechtliche Weihen verliehen würde. Sie wäre nicht zuletzt zum Schaden der palästinensischen Bevölkerung und ihres Strebens nach Sicherheit und Prosperität.

 


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