DER WELTKIRCHENRAT UND SEINE RELIGION DES PALĂ„STINISMUS

Artikel veröffentlicht: 09.09.2016, 13:43 Uhr

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1.September 2016


Der Weltkirchenrat und seine Religion des Palästinismus
Ekkehard W. Stegemann
 

Der wohl bedeutendste Theologe des letzten Jahrhunderts, der Schweizer Karl Barth, hat der ökumenischen Bewegung gegenüber ein ambivalentes Verhältnis gehabt. Zwar hat er sie unterstützt, zumal indem er 1948 bei der Gründung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖKR) ein Hauptreferat hielt. Seine Unterstützung war allerdings eine zögerliche.
 

Er hat nicht die ökumenische „Zuwendung der Kirche zur Welt“ kritisiert. Im Gegenteil. Aber schon 1959 hat er Zweifel angemeldet, wie eben in dieser Gemeinschaft so vieler unterschiedlicher Kirchen und Kontexte es möglich sei, dass im Blick auf ganz konkrete Probleme die Einzelkirchen ihr jeweils Eigenes respektieren und zugleich das Trennende zurückstellen können, wenn es darum geht, ein gemeinsames Reden und Handeln zu ermöglichen. Und bedrohlich erschien ihm, dass dies sich auf dem Weg eines klerikalen Triumphalismus (sprich einer herrschenden Funktionärsbürokratie und –klüngelei) durchsetzt. Einheit wird nach Barth nicht nur nicht durch das Machtpotential einzelner Kirchenleiter, geschweige denn durch die der vereinten Funktionäre gestiftet, sondern allein durch die Bewahrung des 1. Gebotes, des Bekenntnisses zu dem Einen und Einzigen Gott und seine Verehrung. Und für Barth schloss dies ein „anti-triumphalistisches“ Moment ein, eine Umkehr von der Jahrhunderte alten christlichen Herrenmenschattitüde, nicht zuletzt gegenüber dem Judentum. „Die ökumenischen Bewegungen leiden heute schwerer unter der Abwesenheit Israels, als unter der Roms und Moskaus“, hat er 1959 schon geschrieben. Und als er 1966 im Zusammenhang des Zweiten Vatikanischen Konzils, das ja auch eine Erneuerungs- und Umkehrbewegung im Blick auf das Verhältnis zum Judentum einleitete, Papst Paul VI. in Rom besuchte, sagte er: „Wir sollten nicht vergessen, dass es schliesslich nur eine tatsächlich grosse ökumenische Frage gibt: unsere Beziehung zum Judentum“.
 

Barth hatte verstanden, dass die Gründung eines jüdischen Nationalstaats eine epochale Wende war, die, obwohl von der UNO intendiert, ganz offenbar nicht ohne die Selbstverteidigung gegen regionale arabische Staaten stattfinden konnte. Nach dem Sieg Israels im Sechstagekrieg von 1967 atmete Barth auf und sagte: „Jetzt können wir es in der Zeitung lesen: Gott hält seine Verheissung“. Und dass Israel als Staat sich auch militärisch behaupten konnte und weiterhin kann und soll, erinnert ihn durchaus an den biblischen Josua, aber vor allem auch daran, dass Gott sein erwähltes Volk nicht untergehen lässt.
 

Der ÖRK redet vom „gerechten Frieden“, aber setzt einseitig Israel auf die Anklagebank
 

Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖKR) und auch eine seiner vielen Gliedkirchen wie der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) betreiben eine Reihe von Aktivitäten, deren Ziel sie mit der Erreichung eines gerechten Friedens in Palästina und Israel umschreiben. So steht es auf der Webseite des SEK:
Der Kirchenbund setzt sich weiterhin in mehrfacher Weise für Frieden und Versöhnung in Israel/Palästina ein und fördert die Suche nach einem gerechten Frieden.
Und bezüglich neuer Aktionen, die im September starten sollen und vom ÖRK propagiert werden, heisst es:
Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) lädt Mitgliedskirchen und kirchliche Organisationen ein, an einer Aktionswoche für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel teilzunehmen.

 

Vom „gerechten Frieden“ ist zwar immer die Rede, aber zugleich werden ausschliesslich palästinensische Propagandaparolen dabei verbreitet. Die andere Seite, die israelische, ist nicht vertreten; sie steht immer nur auf der beschuldigten Seite, die der Verhinderung eines Friedens. Und was auch immer Israel für Vorstellungen von einem gerechten Frieden vorträgt, nicht zuletzt auch im Blick darauf, dass ein solcher Friede dem eigenen Staatsvolk Sicherheit vor Terror und Krieg bringen müsste, wird nicht erfragt. Terror und Krieg, die von der palästinensischen Seite seit Jahrzehnten ausgehen, werden unterschlagen.
 

Der ÖRK hat zwei Institutionen für „Palästina/Israel“ eingesetzt. Die eine heisst PIEF (Palestine Israel Ecumenical Forum). Dieses Forum ist laut SEK „eine Plattform des Ökumenischen Rats der Kirchen“, die das Ziel hat „die Bemühungen von Kirchen aller Konfessionen um …“ – nun ja, natürlich mal wieder – „gerechten Frieden in Palästina/Israel zu koordinieren“. „PIEF entwickelt eine Friedensvision für die gesamte Region und unterstützt den interreligiösen Dialog“. Bloss: diese hehren Worte sind völlig leer und hohl. Denn ein interreligiöser Dialog etwa mit Juden und zumal solchen aus Israel findet nicht statt. Israel sitzt immer auf der Anklagebank. Und das innerchristliche Feindbild sind sogenannte „christliche Zionisten“. Gegen sie wird vorgebracht, dass sie angeblich „eine Instrumentalisierung von theologischen Inhalten für politische Zwecke“ betreiben würden. Nur das gilt nun gerade für den ÖRK, freilich mit umgekehrtem politischen Vorzeichen. Sie instrumentalisieren theologische Inhalte gegen Israel.
 

Das „ökumenische Begleitprogramm“ mandatiert Touristen zur politischen Einmischung
 

Der ÖRK und auch der SEK berufen sich immer auf christliche Kirchen in Nahost, um ihre Aktionen zu rechtfertigen. Das gilt zumal für die andere Institution des ÖRK, das sogenannte Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel (EAPPI), für das auch der SEK das Patronat übernommen hat. Im Kern geht es dabei darum, sogenannte „Menschenrechtsbeobachter“ auch aus der Schweiz, die mit einem einfachen Touristenvisum nach Israel einreisen, an Checkpoints zu schicken, damit sie sich sich dort in die Wahrnehmung von Aufgaben von Sicherheitskräften Israels einmischen. Nicht selten sind diese Beobachter mit ihren Safariwesten aber auch in politischen Demonstrationen in israelischen Städten unterwegs, in denen sie lauthals oder demonstrativ ein Ende der Besatzung fordern. So jedenfalls konnte man es lesen.
 

Touristen aus der Schweiz also werden vom ÖRK und SEK instrumentalisiert, um politische Aufgaben in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten wahrzunehmen. Das widerspricht ihrem Status als Touristen; denn für eine politische Funktion müssten diese selbsternannten Menschenrechtsbeobachter von einer in Israel niedergelassenen Organisation autorisiert und mit einem speziellen Einreisevisum ausgestattet sein. Eine solche Niederlassung existiert nicht, weswegen denn das israelische Innenministerium nun offenbar einer besonders aktiven „Menschenrechtsbeobachterin“ aus der Schweiz die Einreise verwehrt hat.
 

ÖRK und SEK wissen wohl um die juristische Achillesferse ihrer Politisierung in Israel mit der Hilfe von kirchlichen Aktivisten, die sie aussenden. Denn sie kaschieren, dass sie gar kein Recht auf politische Aktivitäten in dieser Region haben, indem sie angeben, dass sie auf die Bitte von lokalen Kirchen hin tätig geworden sind. Welche waren das? Ich habe das kürzlich das vom SEK für die Durchführung der EAPPI-Order des ÖRK betraute „Hilfswerk Evangelischer Kirchen Schweiz (HEKS) gefragt, ein durch seine Politik der Finanzierung antiisraelischer Aktivitäten heute eher umstrittenes Werk. Auf der Webseite des HEKS habe ich gelesen, dass EAPPI eingerichtet wurde, weil „¬lokale ¬Kirchen und Menschenrechtsorganisationen den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) um internationale Präsenz (baten)“. Der Pressebeauftragte des HEKS konnte mir jedoch keine Auskunft geben, wer diese lokalen Kirchen und Menschenrechtsorganisationen sind. Er kennt sie wohl auch nicht. Doch verwies er mich an den ÖRK. Es ist zwar einigermassen merkwürdig, wenn das HEKS, das seit Jahren sehr viele Steuer- und Spendengelder in das EAPPI-Projekt steckt (in diesem Jahr immerhin CHF 225.000), nicht einmal weiss, wer die Bittsteller gewesen sind. Aber auffallend ist, dass der ÖRK selbst auf seiner Webseite nicht behauptet, dass „lokale Kirchen und Menschenrechtsorganisationen“ um Präsenz gebeten haben. Dort heisst es nämlich, dass Leiter lokaler Kirchen („Heads of local churches“) den ÖRK dringend gebeten haben, Präsenz zu zeigen. Ich habe dann beim ÖRK nicht weiter nachgefragt. Denn einerseits weiss ich, dass man mir auch dort keine Namen nennen würde. Und andererseits kenne ich einige dieser Leiter und deren antiisraelische Agenda in christlich-salbungsvollem Gewand. Es ist eben das übliche Problem: Einige der Funktionärseliten denken sich was aus und hetzen antiisraelisch vorkonditionierte Leute in Genf auf. Nicht zuletzt sind das lutherische Pfarrer.
 

In unseliger Tradition mittelalterlicher Judenfeindschaft
 

Der Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Herbert Winter, hat vor einiger Zeit im Tages-Anzeiger deutlich gesagt, dass eine Teilnehmerin des EAPPI-Projekts antisemitische Hetze verbreitet und in Zürich eine antiisraelische Demonstration mitorganisiert hat. Natürlich hat man sich beim HEKS sofort „entschieden distanziert“ von Antisemitismus in den Reihen der EAPPI-Patrone. Nur: Es sind die unseligen Geister der Judenfeindschaft, die das ÖRK und der SEK mit dem HEKS selbst gerufen hat. Wir wissen leider aus Erfahrung, dass sich die als Israelkritik bemäntelnde Feindschaft gegenüber Israel immer wieder in blankem Hass gegenüber Juden auch etwa in der Schweiz artikuliert. Und der SEK und das HEKS können noch so oft betonen, dass sie Antisemitismus ablehnen. Glauben würde ich ihnen nur, wenn sie alle diese antiisraelischen Projekte, die sie fördern, einmal auf den Prüfstand stellen würden. Aber das ist – wie ich leider schon lange erfahren musste – nicht zu erwarten, denn die antiisraelische Obsession im ÖRK und die Okkupation seiner Agenda durch palästinensische Themen und Repräsentanten ist geradezu perfekt gelungen.

Die von Karl Barth im Blick auf den ÖRK schon vor sechzig Jahren erkannte Funktionärsbürokratie will unseren Schweizer Kirchen eine Religion des Palästinismus aufdrücken. Bei allem Respekt kann ich da nur wünschen: „Betet, freie Schweizer, betet.“

Ekkehard W. Stegemann war von 1985 bis 2014 Ordinarius für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Basel.
 


Diese Seite wurde ausgedruckt von der Webseite der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Essen e.V.
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